Stunde der Konjunktivisten

„Stunde der Amateure
Nichts gelernt, und auch noch stolz darauf

Immer mehr Menschen glauben, sie wären die besseren Journalisten oder Politiker – dabei beherrschen sie nicht einmal den Konjunktiv. Das Land braucht wieder ein gesundes Elitebewusstsein.
Eine Kolumne von Jan Fleischhauer

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/amateure-nichts-gelernt-und-stolz-darauf-kolumne-fleischhauer-a-1115904.html

Ein Journalist kritisiert die Amateure wegen ihrer mangelnden Konjunktiv-Kompetenz und beginnt seinen Text selbst mit einem falschen Konjunktiv. Hätte man sich kaum ausdenken können.

Dabei hatte schon der Ex-Spiegel-Korrektor Sick ausführlich den Unterschied zwischen Konjunktiv I und II erläutert.

Bloße Besserwisserei in Sprachfragen ist ja doof, und das „wäre“ hätte normalerweise kaum jemanden gestört. Aber wenn einer so deutlich auf andere zeigt, scheint der Hinweis auf die eigene Nase doch angebracht.

Und die Überschriftenabteilung hatte auch noch ein altes Komma übrig.

Ente tot alles tot

Entropie: Wird die Ente avisiert, befindet sie sich nur kurze Zeit an einer Stelle konzentriert. Bald ist sie nur schwach bis gar nicht wahrzunehmen, weil sie sich gleichmäßig zur Entropie strebend im Raum verteilt hat. Die Entropie hat damit zugenommen. Die Ente ist verschwunden. Über die Gemse, von der man nicht sprechen kann, muss man schweigen.

Sensitiv-Werbung

PhaetonDiesel

Finden Sie noch heute Ihren Phaeton, bevor die Bayern…

Laut Ovid endet die unerlaubte Spritztour des Phaeton mit dem luxuriösen Himmelswagen im Absturz mit katastrophalen Folgen für die Umwelt:
„Die Erde geht in Flammen auf, die höchsten Gipfel zuerst, tiefe Risse springen auf, und alle Feuchtigkeit versiegt. Die Wiesen brennen zu weißer Asche; die Bäume werden mitsamt ihren Blättern versengt, und das reife Korn nährt selbst die es verzehrende Flamme… Große Städte gehen mitsamt ihren Mauern unter, und die ungeheure Feuersbrunst verwandelt ganze Völker zu Asche.“
Keine Sonderzahlung.

Sign o’ the Times

Die New York Times enthüllt, wie Donald Trump eine junge Frau drängte, einen Bikini aus seinem privaten Fundus anzuziehen.

(15.05.2016)

Direkt darunter, im selben Artikel, bietet sie dem geneigten Leser* konkrete Anregung, den eigenen Bikini-Fundus aufzufüllen. Wer weiß, wann das nächste junge Model hereinschneit. Mann will ja vorbereitet sein.

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Falls da ein Plan dahinter stecken sollte, können wir in Zukunft wohl mit ähnlichen Service-Angeboten rechnen. Die Gelegenheit, Dirndl-Werbung bei #aufschrei-Beiträgen zu schalten, ist zwar vorbei, aber es wird noch genügend Möglichkeiten geben, etwa Berichte über Amokläufe und andere Gräueltaten mit Werbung für Schusswaffen zu garnieren. Das hätte sogar etwas Subversives.

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* …der keineswegs zuvor nach Zweiteilern gegoogelt hat…

Brief|kas|ten

Man könnte meinen, das Wort Briefkasten müsste man wie schon Rohrpost oder Telegramm zu den aussterbenden Wörtern zählen.

Aber nein, auch im Zeitalter der digitalen Kommunikation kann sich ein Briefkasten noch bezahlt machen. Nur bei mir zuhause nicht.

Begleitmusik:

I’m gonna sit right down and write myself a letter and make believe it came from…

 

-ling und Flüchtling

In der Diskussion um das Wort Flüchtling wird nicht selten behauptet, das Wort sei wegen der Silbe -ling grundsätzlich verkleinernd (diminutiv) oder abwertend (pejorativ).

Das stimmt so nicht. Das Suffix –ling charakterisiert eine Person oder Sache durch den vorangestellten Wortstamm. Die Bedeutung kann dabei durchaus unterschiedliche Richtungen annehmen. Beispiele wie Rohling oder Häftling zeigen, dass das keinesfalls stets verkleinernd sein muss. Beispiele wie Zwilling oder Liebling belegen, dass das auch nicht abwertend  sein muss.

Flüchtling kann, aber muss nicht pejorativ oder diminutiv verwendet und verstanden werden.  An der Silbe -ling alleine liegt es nicht. Im Zweifelsfall hilft eine empirische Untersuchung bei definierten Gruppen, die durchaus unterschiedliche Assoziationen haben mögen.

Wenig beachtet wird hingegen das „Dispositionale“ an dem Wort Flüchtling. Das Flüchtling-Sein wird der Person als (eher dauerhafte) Eigenschaft zugeschrieben. Das könnte zur Folge haben, dass man sich eine Loslösung von diesem Status nicht so leicht vorstellt.  Im Gegensatz dazu betont das Wort Geflüchtete(r) eher das „Behaviorale“, das heißt ein Verhalten in der Vergangenheit. Die Person ist geflüchtet, eine dauerhafte Eigenschaft ist hier nicht betont, die Frage „Was nun?“  scheint offener.

Doch letzten Endes geht es darum, was die Menschen mit einem Wort verbinden. Ludwig Wittgenstein hat ja schon geschrieben „Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache“. Psychologen würden sagen „Die Bedeutung eines Wortes ist das, was die Menschen in der Lebenswelt damit verbinden.“

Erbsen gezählt.

Mörderische Gebrauchsanleitung

„Gruß aus der Pfalz, aber allein trinken und mit Genuss.“

Diese Anleitung enthält wesentliche Elemente einer guten Gebrauchsanleitung: Eine Einleitung, die eine Beziehung zum Verwender aufbaut, einen Sicherheitshinweis und Verwendungstipps.

Bei näherer Betrachtung finden sich allerdings schwere Verstöße gegen das „Geräte- und Produktsicherheitsgesetz“, das EU-konforme Anleitungen sicherstellen soll. Zu ungenau, nicht normgerecht, nicht haftungssicher.

Die Verfasser dieser Anleitung, Christel Müller und Wilhelm Leinauer, wurden zu jeweils 15 Jahren Haft verurteilt. Zu hart für eine fehlerhafte Gebrauchsanleitung? Normalerweise ja, das Urteil erging allerdings wegen versuchten Mordes und fahrlässiger Tötung.

Im Jahr 1967 schickten die beiden anonym ein Paket mit einem Krug Enzianschnaps und beiliegender Erläuterung an den Gatten der Christel Müller, der in einer anderen Stadt einen Lehrgang absolvierte. Der Schnaps war mit einer mehr als tödlichen Dosis Blausäure versetzt. Zwar hatten die beiden darauf hingewiesen, dass das Gift alleine zu trinken sei, doch – wie manch anderer Texter auch – die Verwenderrealität nicht bedacht. Denn der Gatte Müller mochte gar keinen Enzianschnaps und spendierte diesen seinem erkälteten Stubenkameraden Blumoser. Er selbst nippte wohl nur ein wenig. Blumoser starb, während das avisierte Opfer überlebte.

Der „Enzianmord“, ein Mordversuch per Anleitung zur Selbsttötung.

Und die Inschrift auf dem Krüglein erscheint nun auch in einem anderen Licht:
„Da in dem Flaschen steckt Gsundheit und Fidelität. Wer’s hat, braucht koan Baderwaschl, Apotheka und Dokta net.“ Braucht er net mehr.