Blass und unvergessen. Ein Dichter in Darmstadt.

Arno Schmidt

In diesem Hause lebte der Schriftsteller.

Wer sich viel Mühe gibt, findet auch heraus welcher. Es war Arno Schmidt, der von 1955 bis 1958 in der Darmstädter Inselstraße 42 wohnte. Hier schrieb er auch “Tina oder über die Unsterblichkeit“. In der Kurzgeschichte gelangt der Ich-Erzähler durch einen versteckten Zugang in einer Litfaßsäule in die Unterwelt. In diesem nicht ganz so idealen “Elysium” unter Darmstadt müssen  die  toten Dichter so lange verweilen, bis  auf Erden auch die letzte Spur ihres Namens verschwunden ist. Dann erst dürfen sie ins Nirwana und ”endlich in Ruhe tot sein”.
So gesehen ist das Schild mit dem verblassenden Namen möglicherweise ganz im Sinne des Verblichenen. Ein kleiner Schritt ins erlösende Nirwana.

Doch die Darmstädter können auch anders. Etwa die Kommunikationsdesigner der Hochschule Darmstadt, die zum hundertsten Geburtstag des Meisters die inspirierende reale Litfaßsäule vor dem Dichterhaus ein Jahr lang kreativ umgestalten wollen. Zur Eröffnung gab es bereits eine kleine Feier an der Litfaßsäule. Natürlich wurde der Name wieder und wieder genannt. Zur Stärkung reichte man Linsensuppe. Ein älteres Passantenpaar wollte diese Suppe allerdings – freundlich aber bestimmt – keinesfalls essen, denn der Schmidt habe Darmstadt so schlecht gemacht, damals.

So bleibt Arno Schmidt trotz des blassen Schildes auf die eine oder andere Art unvergessen und wird wohl noch eine ganze Weile auf Erlösung warten müssen. In der Darmstädter Unterwelt.

„Wenn ich tot bin, soll mir mal einer mit Auferstehung oder so kommen: ich hau ihm eine rein.“

Arno Schmidt
(in Brand’s Haide)

An den hundertsten Geburtstag des Alten von Bargfeld am 18.1.2014 erinnert die Arno-Schmidt-Stiftung mit etlichen Veranstaltungen. Dazu gehört auch ein Projekt von Kommunikationsdesignern der Hochschule Darmstadt. Das befasst sich mit der Litfaßsäule vor Schmidts ehemaligem Wohnhaus in der Darmstädter Inselstr 42, die auch im Werk des Autors eine Rolle spielt.
Los geht’s am  Dienstag, 21.01.2014, 17.00 Uhr an besagter Litfaßsäule.

Wussten Sie dass Prinz Philip von der Südsee-Insel Tanna stammt?

Diese Frage stellt eine Gruppe traditioneller Melanesier auf ihrer Reise durch das heutige Großbritannien immer wieder.

Die wunderbare TV-Dokumentation von 2007  begleitet die Gruppe auf Ihrer Suche nach Prinz Philip. Als Anhänger eines Cargo-Kults halten sie Prinz Philip für den Sohn eines Berggeists, der über den Ozean gegangen ist, um eine mächtige Frau zu heiraten. Eines Tages, heißt es, wird er zurück kehren, um seine Leute in eine bessere Zukunft zu führen.

Das ist schon eine Geschichte für sich. Das Spannende an dem Film ist allerdings der fremde Blick, den die Besucher auf das westeuropäische Leben werfen. Die Fragen, die sie ihren Gastgebern aus sehr unterschiedlichen Milieus zu deren Lebensweise stellen, geben auf sehr fundamentale Weise zu denken. Eine filmische Umsetzung des berühmten Papalagi-Büchleins von 1920.

Zu sehen diese Woche bei arte TV bzw. arte+7.

Idole und Lumpen

„Ohne Eintrittskarte kommen Sie hier nicht herein!“
Saalordner zu André Heller, der zu seinem eigenen Konzert durch den Zuschauereingang wollte.
Hellers Begleiter: „Aber das ist doch Herr Heller!“ „Das ist mir egal. Ohne Karte kommt er hier nicht rein.“

Der unerbittliche Saalordner mag vielleicht gar keine genaue Vorstellung von der Heller’schen Erscheinung gehabt haben. Aber nicht selten führt eben die genaue Vorstellung vom Aussehen des Idols zum selben Problem.

„Ein Lump sind Sie. So sieht der Beethoven nicht aus!“
Polizist, der den Spaziergänger Beethoven als vermeintlichen Vagabunden festhielt.

Auch Charlie Chaplin soll bei einem Chaplin-Ähnlichkeitswettbewerb nur den dritten Platz erreicht haben.

Belege für die Idee der „zwei Körper des Königs“ (Kantorowicz). Der „natürliche, sterbliche“ Körper des Idols kann mit der eigenen, „öffentlichen, unsterblichen“ Ikone nicht mithalten.

Kein Wunder, dass Garbo und Dietrich sich ganz zurückzogen, als sie glaubten ihrem unsterblichen „Körper“ nicht mehr selbst entsprechen zu können. Cher dagegen scheint den Kampf nicht aufgeben zu wollen. Auch Lenins Leichenpfleger arbeiten weiter. Anstrengend.
Einfacher ist es dann doch, den anfälligen natürlichen Körper früh zu verlassen wie James Dean und andere, denen ihr Image nicht mehr in die Quere kommen kann.

Dass die Übergangszeit dabei auch ihre Tücken haben kann, zeigt der Fall Chaplin, dessen Leiche bald nach der Beerdigung gestohlen und gegen hohes Lösegeld eingetauscht werden sollte.

Text-Bild-Blase

Wenn Bildredaktion, Anzeigenabteilung und Technik gut zusammenarbeiten, ergeben sich manchmal überraschende Synergie-Effekte. Hier bei der Süddeutschen:

Sueddeutsche_2013-12-31-Kopie

Dreht man das Tablet hochkant, sieht man, was gemeint war:

Süddeutsche 2013-12-31-2

Natürlich kann im Vollbild-Modus irgendeine Werbung dazu kommen…
So auch hier bei WordPress. Wer weiß was.

(Text im ersten Bild leicht vergrößert)

Eherelevante Kunsterfahrung

Aus einer Ehebeurkundung von 1756:

„Den …ten Jun: sind nach geschehener Proclamation, alhier copuliret der kunsterfahrene Junggeselle XY, Organist und Schulbedienter hie-selbst, ….,  und die ehr und Tugendbelobte Jgfr WZ, …“

Dem Manne wurde “Kunsterfahrung” per Heiratsurkunde attestiert. Was allerdings auch kein weicheres Kriterium als “ehr und tugendbelobt” ist.

Was könnte man da heute hinschreiben?
“Der internetaffine Single, Blogger und Barkeeper” und “die Unnahbare mit den 1000 Facebook-Freunden”?
“Copuliret”, gerne auch “öffentlich in der Kirche kopuliert”, müsste man ja heute auch anders formulieren.

Alles nur Fassade

Doch das Elend war echt:

“Die Frauen aus den Bordellen der Cité schaben Backsteine mit einem Holzstück ab, um sich zu schminken.”
Aus dem Journal der Brüder Goncourt, das kürzlich in einer vollständigen deutschen Ausgabe bei Haffmans/Zweitausendeins erschienen ist.

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg sollen Frauen in Deutschland abfärbendes rotes Einwickelpapier von Ersatzkaffee als Rouge für Lippen und Wangen verwendet haben.

Das erste Hipster-Lexikon

wurde vor etwa 75 Jahren veröffentlicht. Cab Calloway’s “A Hepster’s Dictionary: Language of Jive”  (1939, nach früheren undatierten Versionen).

CabCallowayDamals hießen die Hipster auch Hepster, und wer in der Szene wirklich Bescheid wusste, war ein “hep cat”.Die Szene, das waren Jazz-Musiker und ihr Umfeld im Harlem der Dreißiger und Vierziger Jahre.
Calloway war ein ein äußerst vielseitiger und erfolgreicher Musiker. Er war nicht nur der erste Afroamerikaner, der ein Wörterbuch publizierte, sondern auch modisch stilbildend. Er machte etwa den Zoot Suit populär, einen Anzug mit extrem langem, weit geschnittenem Jackett, und sehr weiten Hosen.Vielleicht der einzige Anzug, nach dem gewalttätige Unruhen benannt wurden, die Zoot Suit Riots.

Dieser Typ Hipster schaffte es auch bis in die Fünfziger Jahre: Der „oft schwarze Unterschichtsabkömmling, der sich clever und smart durchs Leben schlägt… Er ist der Stadtmensch mit dem coolen Ton, passionierter Eckensteher… immer chic und ausgewählt gekleidet, entweder im Zoot Suit… mit breiter, gemusterter Krawatte oder im Continental, dem leichten Sommeranzug mit schmalem Revers und Strickschlips“, schreiben Sommer & Wind in ihrem „Streifzug durch die verwirrende Welt der Jugendstile“ von 1986 (nur ganz leichte Eigenwerbung, da das Buch längst vergriffen ist). Diese Hipster beeinflussten übrigens auch die Stile der britischen Mods und Teds.

Die heutigen Hipster lassen sich dagegen eher mit den Beatniks, der anderen einflussreichen amerikanischen Bewegung der Fünfziger in Verbindung bringen. Selbstverständlich pflegen sie auch eine andere Sprache als der alte Calloway. Doch auch sie haben ihr “Hipster Handbook“.

Während die alten Hipster weitgehend vergessen sind, werden die neuen zwar auch längst totgesagt, aber doch weiter diskutiert. Und sollten sie doch verschwunden sein, so hätten wir immer noch das „Hipster-Quartett“.
Mit dem vertreiben wir uns die Zeit bis zum Auftritt der nächsten Hipster-Generation.