Mein anonymer Freund

ein freund

„Ein Freund“
So wurden früher Erpresserbriefe unterschrieben…
Musik-Tipp:
Ron Sexsmith „Imaginary friends“
„Imaginary friends / They will always let you down / And when all the good times end / You won’t be seeing them around…

Couturig

Was schenkt man jemandem, der schon alles hat?
Ein Wort.
Ein Wort das bisher niemand brauchte bis auf ein paar Fashion-Freaks:
Couturig.
Damit will man wohl sagen, dass ein Kleidungsstück oder ein Kleidungsstil etwas von (Haute) Couture hat. So heißt es in der Textilwirtschaft „couturig doch bezahlbar“.
Nun scheint das Wort immer weitere Verbreitung zu finden. Eine deutsche Chefredakteurin berichtete kürzlich im Radio, Lagerfeld habe ihr ein Kleid auf den Leib geschneidert, das sei einfach couturig“. Nicht nur in den von der Dame betreuten Publikationen wird das Wort wohl immer häufiger an das Publikum gebracht.
Da muss sich das arme „stylisch“ aber warm anziehen.
Und wir gehen jetzt mal richtig „cuisinig“ essen

Oftmals

Oftmals hab ich mich gefragt,
warum wird so oft nicht oft gesagt?

Es scheint mehr und mehr zu verschwinden. Das kleine Wörtchen „oft“. Geschluckt vom umständlich-prätentiösen „oftmals“ wie ein unauffälliger, aber funktionierender Familienbetrieb vom Marketing-getriebenen Konzern.
Paradoxerweise scheint „oftmals“ gerade bei Jüngeren beliebt zu sein. Bei Menschen, die ansonsten knapp und salopp formulieren, die so oft mit 140 Zeichen auskommen müssen.
Mitten im Satz steht da plötzlich diese sprachliche Zinnteller-Vitrine.
So zumindest mein subjektiver Eindruck. Wenn das zutrifft, wie kommt das, was bedeutet das? Ist das nur eine erratische Modeentwicklung ohne tieferen Hintergrund? Ist es die systematische Nutzung einer einfachen Möglichkeit, dem Gesagten einen gehobenen Anschein zu geben?

Dabei ist oft nicht einmal die Verkürzung von oftmals, sondern die vollständige und etablierte Urform (schon im Althochdeutschen „ofto“) mit der Bedeutung „häufig wiederkehrend“. Anders als bei „manchmal“ leistet also der Zusatz „mals“ keinen neuen Bedeutungsbeitrag.  Das Grimmsche Wörterbuch lässt eine Entstehung von „oftmals“ aus Wendungen wie „zum oftern (=öfteren) male“ vermuten. „.. und kusset die jungfrawen zum ofternmal“ wird dort zum Beispiel angeführt. Laut demselben Wörterbuch ist oftmals „jetzt … veraltet und durch das einfache oft, öfter (öfters) wieder ersetzt.“ Ein Wörterbuch von 1910 verzeichnet „oft“ als „üblichere(n) und edlere(n) Ausdruck von beiden“.
Das scheint nicht mehr oft so gesehen zu werden..

Halogenverschwörung

Halogenverschwörung
„Die Lampen haben wir in die Decke intrigieren lassen“, verkündet der Dienstleister bei Eröffnung seiner neuen Räume.
Wie aufwändig! Wenn man bedenkt, dass schon die Ostfriesen fünf Leute brauchten um eine altmodische Glühbirne einzuschrauben (Einer steht auf der Leiter und hält die Birne, die anderen vier drehen die Leiter).
Das Intrigieren erfordert sicher sehr viel mehr Beteiligte. Außerdem muss bei einer Intrige ja alles indirekt bewirkt werden, und das Objekt der Machenschaften darf davon nichts mitbekommen.

Zoon Politikon

Wortverloren empfiehlt den geneigten Leserinnen und Lesern
Das politische Zootier
und dem ungebeugten Freiherrn ein weiteres Fremdwort, mit dem er bei nächster Gelegenheit glänzen könnte: Animal Plagians.

Das Gegenstück zu „introvertiert“ heißt natürlich…

nicht „extrovertiert“, sondern „extravertiert“.
Zumindest bei C.G. Jung, der den Begriff geprägt hat, und bei H.-J. Eysenck, der die Persönlichkeitsdimension „Introversion-Extraversion“ in die moderne, empirische Psychologie gebracht hat.
Und bei den Lateinern, bei denen Jung sich bedient hatte. Die kennen zwar „intra“ (innerhalb) und „intro“ (hinein), aber nur „extra“.
Dieses Manko hat die deutsche Alltagssprache nun behoben. Wenn Latein die „späte Rache der Römer an den Germanen“ (Stupipedia) ist, so ist „extrovertiert“ die noch spätere Rache der Germanen an den Römern. Und die Rache der Alltagssprache an der Wissenschaft.
Selbst im Duden steht das O-Wort schon.
Die Wissenschaftler ziehen dazu ein Gesicht wie Günter Grass bei der Rechtschreibreform. Aber sie können sich ja immer noch durch das A-Wort abgrenzen. Und der eng definierte wissenschaftliche Terminus hat ja letztlich auch eine andere Bedeutung als die gekaperte Alltagsversion, die robust und unbekümmert für profane, lautere wie unlautere Alltagszwecke eingesetzt wird. Das gilt für andere Fachbegriffe ebenso. Hier allerdings trennt das a & o Spezialisten und Laien schon auf den ersten Blick.

Sie können Ihre Haltung jetzt ablegen

Erwartung. Das Wort scheint es ohne angehängte Haltung gar nicht
mehr zu geben.
Erwartungshaltung.
Ist denn jede Erwartung gleich eine Haltung?
Vielleicht tut es auch mal die einfache Erwartung.
Sonst kriegen wir eines Tages noch das Verb dazu: Ich erwartungshalte, du erwartungshältst,…

Aufs Auge

„Passt wie die Faust aufs Auge“.
Wird heute sehr häufig für eine besonders gute Passung verwendet.
Früher war das anders – zumindest in meiner subjektiven Erinnerung. Da stand die Formulierung für etwas, das auf eine präzise Art äußerst unpassend war. Denn die Faust gehört ja nun gerade nicht aufs Auge. Aus dieser Doppelbödigkeit ergibt sich auch die früher dominierende ironische Verwendung.

Ist da nur die Ironie verloren gegangen? Das einfache Nach- (oder Vor-)Denken über das, was man sagt? Oder ist es schlicht üblicher geworden zu denken, dass die Faust wirklich aufs Auge passt?

Es soll ja auch Leute geben, die der Meinung sind, Loriots neue Hose passe so perfekt wie vom Verkäufer behauptet.

Mockumentary

„Einige Forscher glauben…“.
Eine der gängigen Phrasen in TV-Surrogat-Dokumentationen. Allerdings:
1. Forscher glauben nicht. Sie denken oder stellen Hypothesen auf.
2. Werden dabei als Beleg kaum echte Forscher präsentiert sondern gerne Amateure, die öffentlich wissenschaftlich nicht haltbare Thesen präsentieren. Die echten Wissenschaftler werden dann für einen kleinen Teilaspekt zitiert und so indirekt zur Stützung der abstrusen These missbraucht. Untertitel („Autor von…“) verwischen überdies die Unterschiede zwischen seriösen und weniger seriösen Quellen.
In der Regel ist die Phrase eine Übersetzung aus dem Englischen. Wobei die Übersetzung von „some“ in „einige“ wohl eine größere Zahl als die Alternative „manche“ suggeriert. Inzwischen scheint die Formulierung auch in deutschen Produktionen etabliert zu sein.